Vor einer Weile hatte ich eine Stapel Bücher an Jules van der Ley geschickt. Ich hatte mir sein Buch Buchkultur im Abendrot gekauft und dachte mir, der könnte dir doch was zu deiner Arbeit schreiben. Was er auch tat, er schrieb mir einen schönen Text u.a. zur Debutantenpublikation der Malerin Tessa Wolkersdorfer, nur fand sich irgendwie keine Gelegenheit mir oder besser mir für dieses Buch Lobhudeln zu lassen.
Vor 4 Tagen mailte mich der amerikanischer Fotograf und Buchgestalter Jason Koxvold aus New York an und bat mich ihm doch erklären, wie ich denn diesen exzellenten Rücken hin bekommen habe — eine Gelegenheit, Jules‘ Text zu bloggen und mich von Jason fortan als Overlord of Bookdesign (ha!) bezeichnen zu lassen:
Im Jahr 2014 veröffentlichte der Typograf Friedrich Forssman den Aufsatz: Warum es Arno Schmidts Texte nicht als E-Book gibt. Seine Argumentation richtete sich vorwiegend gegen computertechnische Aspekte, dass man E-Books nicht weiterverkaufen dürfe, weil man nur eine Nutzungslizenz erwirbt, dass E-Books zensierbar wären, dass Rezeptionsgewohnheiten von „höherer Seite“gespeichert werden könnten und dergleichen. Einen zentralen Aspekt erwähnt er nur nebenher, so dass anzunehmen ist, dass Forssman noch nie versucht hat, ein E-Book zu layouten. Der Typograf erleidet beim E-Book einen dramatischen Verlust an Einfluss auf das Ergebnis. Beim E-Book sind die typografischen Gestaltungsmöglichkeiten verschwindend gering, aber was der Typograf hier entscheiden kann, Schrifttype, Schriftgröße, Zeilenausrichtung, Farbe der Schrift kann der Nutzer auf seinem Lesegerät nach Belieben umstellen. Satzspiegel und Zeilenfall passen sich dynamisch dem jeweiligen Bildschirmformat des Lesegerätes an, so dass ein Typoskript wie Arno Schmidts Zettels Traum einer absurden, ja grotesken Verfremdung unterworfen wäre.
Diese Sätze mögen als Einleitung illustrieren, warum mich die Bücher aus dem Atelier des Christian Dümmler begeistern. Hier hat der Grafik-Designer noch alles entschieden, angefangen von der Bindung, dem Papier über die typografische Gestaltung bis hin zur Farbe der Vorsatzblätter, so dass es wert ist, einige Bücher näher zu betrachten, beispielsweise den bibliophil aufgemachten Katalog für die Künstlerin Tessa Wolkersdorfer. Der Katalog im Format 285 x 240 mm besticht auf den ersten Blick durch den ungewöhnlichen Einband. Er besteht vorne und hinten aus ungestrichener Graupappe. Ein Buchrücken fehlt. Das quadratische Titelbild ist in eine Blindprägung eingelassen, die etwas größer gehalten ist als das Bild selbst, so dass rundums Bild ein hübsches geprägtes Rähmchen sichtbar ist. Unter dem Bild ist mit serifenbetonter Linearantiqua der Schriftzug Tessa Wolkersdorfer in glänzend Weiss geprägt. Der fast brutale Kontrast zwischen Graupappe und Schriftzug überzeugt auf den ersten Blick. Im offenen Buchrücken sieht man die Fadenheftung der 80 Katalogseiten, die im Schnitt nochmals bedruckt sind mit TESSA WOLKERSDORFER in Türkis und Versalien.
Die Vorsatzblätter aus gestrichenem Papier sind einseitig flächig in prächtigem Orange bedruckt.
Der Katalog startet mit 16 Bildseiten. Die flächig mit Ocker gestrichene 17. Seite leitet einige Textseiten auf Deutsch und Englisch ein. Flattersatz und die Schrifttype PMN Caecilia ergänzen sich zum kraftvollen Mal- und Zeichenstil der Künstlerin. Die Schrift ist farbig gedruckt, Türkis für Deutsch, Ocker für Englisch. Beide Farben korrespondieren mit den vorherrschenden Farben zweier Bilder, die jeweils ganzseitig den Textteil illustrieren. Das gesamte Layout hält sich vornehm zurück und stellt sich in den Dienst des zu vermittelnden Inhalts. Der deutsche Text ist etwa 2 Punkt größer gesetzt als der englische, ein typographische Entscheidung, die vermittelt, dass die Muttersprache der Künstlerin Deutsch ist, der Katalog nicht etwa für den englischen Markt bestimmt. Ab Seite 57 simuliert der Katalog ein aufgeschlagenes Skizzenbuch ohne Begleittext, bis auf die mittig gesetzten Seitenzahlen.
Ich habe die formalen Aspekte dieses Buches so detailliert beschrieben, um den Blick auf die liebevolle Gestaltung zu lenken. Das werden jene zu würdigen wissen, denen das gedruckte Buch noch etwas bedeutet. Leider sind seit der Digitalisierung der Satzherstellung viele Drucksachen von typografischen Laien gestaltet, die ihre gestalterischen Entscheidungen der benutzten Software überlassen. Kein anderes Medium verrät seine Formensprache derart leichtfertig wie das Printmedium. Die übelste TV-Show wird in Bild- und Ton perfekt abgefilmt und neuerdings in HD gesendet. Es wäre auch dem Printmedium zu wünschen, einen wichtige Grundsatz nicht zu vergessen: Das Auge liest auch mit. Man kann sich nicht herausreden, der Leser würd’s ja nicht mal merken, wenn es beim Lesen knirscht. Dieser Leser hat in den 1950-er und 1960-er Jahren auch Musik in mono auf Mittelwelle gehört und Fernsehen auf einem Schwarzweißgeräte mit winzigem Bildschirm geschaut und war zufrieden. Qualität in Typographie und Grafik-Design muss von jenen kommen, die etwas davon verstehen und ihre Publikationen bis ins Kleinste durchgestalten, wie etwa Christian Dümmler.
Das Buch Tessa Wolkersdorfer ist käuflich! Originalverpackt und für nur 20€ + 2€ Versand schicke ich es sehr gerne zu habenwollen@edition-blumen.de.
Glückwunsch zu diesem Ehrentitel! Ich schätze mich glücklich, mit dem Overlord of Bookdesign zusammenarbeiten zu können.
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lieber jules, ich habe zu danken, deine texte haben mich und meine arbeit ein gutes stück nach vorne gebracht!
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Ich schließe mich dem Glückwunsch an und bin jetzt vor Ehrfurcht ganz befangen.
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ja, zurecht! ein bisschen größenwahn, finde ich, muss ab und zu sein. bodo, schlückchen tee!
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