Stadtwurst mit Musik

Für diejenigen, die der fränkischen Wurstkunst nicht mächtig sind: eine Stadtwurst ist eine Brühwurst. Mit je nach Metzger leicht unterschiedlichen Zutaten in Schweinedarm gefüllt. Nach dem Brühen hat man einen weißen Ring Stadtwurst. In der Form bekommt man sie selten – meist nur am Tag der Herstellung. In der Regel wird geräuchert. Je nach Metzger ein bisschen heller oder dunkler, und es gibt auch eine schwarze, also ganz schön geräuchert.

Ein großer Irrtum ist eine „feine“ Stadtwurst, sie mogelt sich vor allem in die Theken innerstädtischer Metzgereien. Dieses zu Tode gekutterte Würstchen kann man bestenfalls in mittelprächtigen Speisen als Einlage nutzen (Würstelgulasch – naja). Sie muss natürlich grob sein – die Stadtwurst!

Hat man eine ordentliche Stadtwurst erstanden, es braucht nur einen klitzekleinen Wurstverstand, ist es möglich, ein typisches fränkischen Brotzeitgericht zuzubereiten: Stadtwurst mit Musik!

Ein einfaches Gericht, dennoch gelingt es den meisten Gastronomen anscheinend nicht, es ordentlich auf den Tisch oder gerne auf die Bierbank zu bringen. Da finden völlig unnötige Verkopfungen statt. Evangelische Unarten wie: Essigwasser für die Zubereitung zu verwenden. Oder: Wurstscheiben werden halbiert, saure Gurken werden hin- oder gar hineindrapiert, Zwiebelwürfel verirren sich ins Gericht und allerlei anderer Käse. Stadtwurst mit Musik ist eine schlichte Brotzeit, einfach herzustellen, ein jeder einfältige Zipfel/-in sollte dazu in der Lage sein. Aber die Verkopfungen …

Ich hätte nie gedacht, dass man dafür ein Rezept braucht, aber Brotzeit- und Wurstbildung scheint dringend nötig zu sein. Für die Einfaltspinsel:

Man nehme eine saubere Stadtwurst (grob!!!), welcher Couleur auch immer. Eher fett als mager. Die Pelle ziehe man ab, nur in seltenen Fällen ist das nicht nötig. Dann wird die gute Wurst in Scheiben geschnitten, ob gerade oder schräg, bleibt der Finesse des Zubereiters überlassen. Die Dicke der Scheiben allerdings nicht. Grob geschätzt 5–8 mm, wenn die Zeit zum Ziehenlassen kurz ist, eher dünner, wenn genug Zeit ist, eher dicker. Ganz falsch ist es, mit der Aufschnittmaschine aufschnittdünne Scheibchen zu produzieren, die kann man nämlich gleich an den nächstbesten Waldi verfüttern. Dann hätte der wenigstens einen guten Tag.

Bei mir Zuhause landen die Stadtwurstscheiben in einer Schlüssel, eine gute Gelegenheit, sich von der Qualität zu überzeugen – eher fett oder mager, viel oder wenig Majoran usf.

Ich persönlich kippe jetzt größere Mengen vernünftigen Weißweinessig und kein fades Essigwasser (Warum? Geiz?) über die Wurst. Jede Scheibe hat ein Recht auf ein zünftiges Bad mit frisch gemahlenem Pfeffer, wer mag, kann in den Sud noch getrockneten Majoran hinzugeben – mindestens eine Viertelstunde. Die Säure wird milder, je länger das Bad dauert. Anstatt eines Weißweinessigs lässt sich auch Rotweinessig oder für die ganz Gewitzten auch ein Himbeeressig verwenden. Zitrone ist eine extravagante Variante. In den meisten Haushalten hat es ohnehin keinen würdigen Essig, da hilft Zitrone (überhaupt hilft Zitrone bei allem. Ein Haushalt ohne Zitrone ist keiner). Dafür findet sich stets der obligatorische Balsamico. Den Blembl kann man der Regel gleich in den Ausguss schütten oder sich in die Haare schmieren. An der Stadtwurst hat er, wie Speiseöl auch, jedenfalls nichts zu suchen (wer kommt auf so eine Idee? A Sunnablumma)!

Die Musik – Zwiebeln, auch hier gibt es unterschiedliche. Erst einmal ist die Größe entscheidend, weil entweder ästhetische Ringe gebraucht werden oder – was ich aus Mangel eines geeigneten Hobels und aus Faulheit bevorzuge –, halbe Zwiebeln zu Fächern geschnitten werden. Kennt man z. B. vom Griechen. Außerdem bringen die Zwiebelflügelchen ein wesentlich besseres Musikerlebnis. Aber Obacht vor Schalotten, die feine Sterneküchenzwiebel bringts einfach nicht, kein Bumms. Weder Tuba noch Posaune, nicht ein leises Flötentönchen ist wahrzunehmen.

Die Farben der Zwiebeln ist eher wurst. Ich nehme meistens rote, aber weiße, gelbe, rosane und gemüsige Zwiebeln sind ebenso brauchbar und geben das gewünschte Ergebnis. Man kann sie gleich mit ins saure Bad geben oder kurz vor dem Servieren roh auf die saure Stadtwurst zu einem erquicklichen Berg drapieren. Obendrauf müssen die Zwiebeln sein, auch die mitgebadeten. Das erleichtert die Regulierung der Musik. Sie vertragen, im Gegensatz zur Wurst, ein wenig Salz. Serviert wird im Suppenteller. Irrtümer sind die angesagten Bowls und kleinere Schüsseln. Der tiefe Teller mag den Brotzeitunerfahrenen dazu verführen, möglichst viel Essigsud hinzuzufügen – doch mitnichten! Es heißt ja auch nicht Stadtwurstsuppe mit Musik! Dennoch ist es kein Schaden, wenn beim Portionieren ein wenig Sud mitschwappt.

Im Grunde isses das, Stadtwurst mit Musik. Umami, Säure, Süße und Schärfe. Für manch einen Franken ist Stadtwurst mit Musik der einzig essbare Salat.

Wie bei Gulasch und anderen Hausmannsgerichten gibt es eine Palette an Variationen. Manche nutzen ein Essigweingemisch oder eines mit Zitrone und Essig. Majoran getrocknet (siehe Sud) oder frisch bereichert den Teller ebenso wie glattblättrige Petersilie – krause Petersilie ist zu nichts, rein garnichts zu gebrauchen. Für Menschen mit hohem Blutdruck oder auch einfach aus Laune kann man noch eine nicht allzuscharfe, entkernte Chili hineinschnipseln. Die Zugabe von Senf, in welcher Form auch immer, wird mit mindestens Haus- und/oder Berufsverbot bestraft. Ein paar Schläge auf den Hinterkopf sind auch kein Schaden! Besonders senfgefährdet sind Menschen mit fremdem kulturellen Hintergrund, sie sind Gewürze in Wurst und Brot nicht gewohnt. Obwohl man sich ein Bundesland teilt, sind besonders die Oberbayern anfällig für diese Unsitte.

Meine liebste Beilage ist ein fränkisches Bauernbrot mit Butter. Ohne Butter gehts auch, aber es sollte schon ein würdiges Brot sein (zu essenswerten Broten ein andermal). Die schrecklichste kulinarische Erfahrung war ein zwei Tage altes, lebloses, lieblos geschnittenes Baguette. Wie muss man drauf sein, um auf so eine hirnrissige Idee zu kommen? Und überhaupt, Weißbrot? Man muss schon Masochist sein, immer wieder Stadtwurst mit Musik zu bestellen, wenn man bedenkt, was einem in gestandenen Biergärten und Wirtshäusern vorgesetzt wird. Vielleicht sind die Clubbfäns schuld, denen scheint das nichts auszumachen, die sind Enttäuschungen gewohnt.

Gud Apeteit. Nächste Woche eine weitere fränkische Gastrokatastophe: Sechs auf Kraut.

2 Gedanken zu “Stadtwurst mit Musik

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